250 Jahre Dreifaltigkeitskirche Neudrossenfeld - gut durchdacht

Auf meinen Reisen sind mir noch nicht zwei gleiche Kirchen begegnet. Wer sich etwas genauer mit dem Kirchenbau befasst, stellt dabei fest: Hinter jedem Bau stecken nicht nur Überlegungen der Zweckmäßigkeit, sondern auch der Theologie. Eine neu errichtete Kirche sagt von ihrer Baugestalt her etwas aus über die Gedanken des Erbauers. Bei unserer Neudrossenfelder Kirche ist das ganz besonders deutlich, hier kommt die Theologie von Superintendent Silchmüller, dem starken Mann hinter unserer Kirche, zum Ausdruck:


Ältere Kirchen drücken durch ihren Grundriss oft aus, dass es in der Christenheit zwei Gruppen gibt: Die Priester, die im Altarraum heilige Handlungen vollziehen, und die Laien, die von Ferne zusehen dürfen. Silchmüller, als evangelischer Theologe, hatte nun erkannt: Das stimmt doch von der Bibel her gar nicht! Alle Christen zusammen sind das eine Volk Gottes, das sich als Gemeinschaft zum Gottesdienst versammelt. Dieser Grundgedanke wurde in der Neudrossenfelder Kirche zum Bauwerk, deutlicher als in vielen anderen Kirchen.

So gibt es hier keinen besonderen Altarraum, sondern einen Saal, in dem sich alle versammeln. Der Himmel – unsere wunderbare Stuckdecke – spannt sich über alle, Pfarrer und Gemeindeglieder. Aus allen Richtungen – deshalb die drei Portale – strömen die Christen zusammen, um miteinander Gott anzubeten.

 
Die wunderbare Stuckdecke überspannt den ganzen Kirchensaal


Um die Gemeinschaft besonders zu betonen hat Silchmüller sogar die Bankreihen anders angeordnet, als das in den Kirchen der damaligen Zeit üblich war: im Halbkreis um den Altar! Sogar an die Stirnseite hat er noch rechts und links je eine Bankreihe gestellt. Hier möchte zwar niemand sitzen, aber es geht auch mehr um das Symbol: Gott in unserer Mitte, die Gemeinde im Kreis darum herum.

 
Anordnung der Bankreihen im Kirchenschiff


Der gleiche Gedanke führte nun auf dem Niveau der ersten Empore zu einer ganz seltenen Gestaltung: Diese Empore läuft ganz um das Kirchenschiff herum! Und schließt dabei auch die Kanzel mit ein! Das soll zeigen: Der Pfarrer, wenn er von hier aus Gottes Wort verkündigt- ist er auch nur einer aus dem Volk Gottes. Er hat zwar einen besonderen Auftrag, aber er gehört in die Gemeinschaft mit hinein.

 
Umlaufende erste Empore mit Kanzelaltar


In der Ordenskirche in St. Georgen finden wir eine ähnliche Lösung. Allerdings ist dort die Kanzel etwas abgesenkt und die Fürstenloge emporgehoben um zu zeigen: Es gibt Niveauunterschiede in der Christenheit – und ganz oben steht der Landesherr, der Markgraf! In unserer Kirche geht es dagegen um den Gemeinschaftsgedanken. Die Adelslogen sind zwar etwas abgehoben, wie das der Gesellschaft damals entsprach, aber sie befinden sich auf der gleichen Ebene. Wahrscheinlich sind diese Logen und auch die Gitterstühle Zugeständnisse an den Zeitgeschmack, die Silchmüller ursprünglich nicht beabsichtigt hat.


In der zentralen Position unserer Kirche befindet sich der Kanzelaltar – eine typisch evangelische Konzeption. In vielen katholischen Kirchen befindet sich die Kanzel irgendwo auf der Seite. Die Mitte füllt der große Altar mit Aufbau. Und das zeigt auch, was im Gottesdienst der römischen Kirche am Wichtigsten ist: das Altarsakrament. Das Wort Gottes ist auf die Seite gerückt. Martin Luther dagegen hat das seiner Kirche eingeschärft: Gottes Wort und die Sakramente gehören zusammen, sind miteinander Gottes Gaben, um uns Menschen zum Glauben zu helfen! Genau diesen Gedanken bringt der Kanzelaltar in unserer Kirche zum Ausdruck: die Kanzel in der Mitte, der Altar darunter, denn von Jesu Wort „Das ist mein Leib, das ist mein Blut“ lebt das heilige Abendmahl. Davor ist der Taufstein platziert und soll uns erinnern, dass wir als Getaufte zur christlichen Gemeinde gehören.

 
Taufstein - noch aus der Vorgängerkirche


So will uns unsere Kirche schon durch ihren Bau an ganz wichtige Grundgedanken unseres Glaubens erinnern. Wir dürfen uns darüber freuen, dass damals nicht einfach drauf los gebaut wurde, sondern dass die Gestaltung im Detail durchdacht ist.

Claus Bergmann