In schwierigen Zeiten

Während der Sanierungsarbeiten am Dachstuhl unserer Kirche fanden wir ein Brett, bemalt mit einem Hakenkreuz und der Jahreszahl 1929 (siehe Bild). Das weckte die Frage nach der jüngeren Geschichte: Was geschah während des Nationalsozialismus in Neudrossenfelds Kirche und Gemeinde? Einige Dinge lassen sich aus dem Archiv rekonstruieren. Aber möglicherweise können ja noch lebende Zeitzeugen Wichtiges ergänzen?

 

Wahrscheinlich wurde dieses Hakenkreuz von Lehrer Eberlein gemalt

Kirchenkampf in Neudrossenfeld

Worum ging es beim sog. Kirchenkampf? Der Nationalsozialismus Adolf Hitlers war von Anfang an eine antichristliche Weltanschauung. Mit Jesus, dem Juden, und dem Alten Testament als jüdischem Buch konnte man nichts anfangen. Auch dass der Mensch von seinen Sünden erlöst werden müsse durch den Opfertod des Gottessohnes, war dem Glauben an die Heldenkraft des germanischen Menschen zutiefst zuwider. Alfred Rosenberg, nationalsozialistischer Chefideologe: „Dass die Bekenntnis-Kirche in der heutigen Formgestaltung aus dem Leben unseres Volkes verschwinden muss, darüber bin ich mir – und ich glaube das auch im Sinne des Führers sagen zu können – vollkommen klar.“ Dieses Ziel konnte aber aus Rücksichtnahme auf das deutsche Ansehen im Ausland nicht sofort in Angriff genommen werden.

So versuchte man, die evangelische Kirche von innen her zu verändern. Dies geschah durch die „Deutschen Christen“ (DC), die die Macht in der Kirche zu übernehmen versuchten. Es gelang auch, einen entsprechenden Reichsbischof, Ludwig Müller, mit staatlicher Hilfe einzusetzen, dem sich allerdings der bayerische Bischof Meiser und andere widersetzten. Dieser Widerstand gegen Reichsbischof und DC sammelte sich in der „Bekennenden Kirche“.

Obwohl dieser Kampf um die Kirche bereits 1933 einsetzte, erreichte er Neudrossenfeld erst kurz vor der Konfirmation 1935. Hauptvertreter der DC war der Lehrer und Kantor Eberlein. Von ihm stammt vermutlich auch das Brett mit dem Hakenkreuz. Er hatte Flugblätter der Deutschen Christen an der Kirchentür anschlagen lassen. Die Pfarrer antworteten mit dem Aufruf, bei der Bekennenden Kirche Mitglied zu werden. Die Unterstützung der Gemeinde war gewaltig: Über 2000 Unterschriften kamen in kürzester Zeit zusammen. Nur etwa 60 Namen fanden sich auf der Liste der Deutschen Christen.

Besonders heftig war die Auseinandersetzung zwischen Lehrer Eberlein und Pfarrer Brendel. Sogar in einem Schreiben an den Bayreuther Dekan hielt er seine Behauptung aufrecht: „Sie haben auf dem Altar gelogen!“ Brendel hatte ihm vorgeworfen: „Sie hetzen gegen die Kirche!“ Aber insgesamt kam Eberlein nicht gegen die überwältigende Mehrheit der Gemeindeglieder an, zumal auch die beiden Pfarrer unverrückbar zusammenhielten.

Man darf daraus allerdings nicht schließen, dass die Neudrossenfelder zum großen Teil gegen den Nationalsozialismus gewesen wären. Mindestens die Hälfte der Kirchenvorsteher waren Parteimitglieder, auch die Pfarrer verwendeten in ihren Briefen den Hitlergruß. Aber die Gemeinde stand zu ihrer Kirche und ihren Pfarrern.

Der Staat verhielt sich in dieser Phase des Kampfes verhältnismäßig neutral. Er setzte auf andere Methoden. Noch einmal Rosenberg: „Der Aufbau des Lehrplans in allen Schulen ist bereits derartig im antichristlichen-antijüdischen Geiste erfolgt, dass die aufwachsende Generation vor dem schwarzen Schwindel (der Kirche) bewahrt bleibt.“

Hier deutet sich die zweite Phase des Kampfes an: die Beeinflussung der Jugend. So legten 1938 alle Lehrer die Erteilung des kirchlichen Religionsunterrichtes nieder, wohl wissend, dass die Pfarrer unmöglich in der Lage sein würden, diesen Unterricht in den acht Schulen des Gemeindebereichs abzudecken. Pfr. Körber klagt darüber, wie er das schaffen solle, zumal man ihm nicht einmal ein Auto genehmigte.

Die nächste Schwierigkeit trat auf, als die Mädchengruppe der Nazis sich ausgerechnet am Mittwochnachmittag versammeln musste, dem einzigen Nachmittag, an dem der Konfirmandenunterricht stattfinden konnte. Außerdem wurden von den Nazis hier gerne verpflichtende Veranstaltungen für alle Schüler angesetzt – immer zu Lasten der Kirche. Schließlich sollte die Kirchengemeinde noch ihren Gemeindesaal mietfrei an die Hitlerjugend abgeben. Nicht einmal ein Kirchenchor durfte gegründet werden. Lehrer Eberlein als Leiter des Gesangvereins opponierte dagegen.

Insgesamt ging die Strategie der Nationalsozialisten vorübergehend auf. Nach dem Krieg hieß es: „Vorher (vor der amerikanischen Besetzung) war kein Mensch mehr in der Kirche, und von der Besetzung an war sie immer ganz gestopft voll.“

Claus Bergmann