Donnerschlag, Glocken und Aberglauben

Von einem wahrhaft aufregenden Ereignis berichtet Pfarrer Magister Peter Maurer am 20. Mai 1591 an seine vorgesetzte Behörde in Kulmbach. Ich habe seinen Bericht in eine heute lesbare Form gebracht:

Am 14. Mai zwischen 6 und 7 Uhr abends hat Gott, der Allmächtige, unsere Kirche durch einen Donnerschlag heimgesucht und ziemlich großen Schaden am Kirchen- und Turmdach angerichtet, aber im Zorn doch an seine Barmherzigkeit gedacht und im Wetter gewissermaßen mit der Rute gedroht und gezeigt, wie er uns, wenn wir nicht Buße tun, züchtigen könne. Aber wenige haben das bedacht und ist ein großes Geschrei über den Pfarrer und Schulmeister ergangen, weil nicht Wetter geläutet worden sei. Etliche haben sich hören lassen, sie hätten lange schon gedacht, das Verbot des Wetterläutens werde solchen Ausgang nehmen (obwohl das markgräfliche Verbot des Wetterläutens schon bestand, als ich 1590 aufgezogen bin). Denn es sei auf dem Turm eine getaufte und zum Wetter gesegnete Glocke.
Außerdem habe man zu Bayreuth, Bindlach, Harsdorf und Trebgast geläutet und das Wetter gleichsam in einen Zirkel eingeschlossen und so in unsere Kirche einzuschlagen gezwungen.

Solchen götzendienerischen Aberglauben und papistische Sitte hab ich aus Gottes Wort am Sonntag hernach widerlegt und besonders an die Einsetzungsworte zur Taufe erinnert (Jesus Christus spricht: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden ... Matthäus 28,18-20) und betrachtet, ob und was von Glockentaufen und der Wirksamkeit derselben darinnen zu finden sei, welches zwar etlichen ein Nachdenken gemacht, dass sie so viel von getauften Glocken nicht mehr gehalten, aber doch meinten, es wäre dennoch gut, dass die Leut dadurch zum Gebet aufgemuntert werden.

Andere aber haben ihren Aberglauben noch mehr an den Tag gebracht, mit solchen Worten: Sie lassen sich nicht überreden, dass sie nichts vom Glockentaufen halten sollen. Denn sie haben von ihren Voreltern gehört, wie vor alten Jahren eine zu Bayreuth getauft und 3 Jungfrauen zu Gevattern (Taufpaten) genommen wurden und weil kurz darauf eine derselben ins Kindbett gekommen sei, sei die Glocke umgeschlagen. Da hat man andre Gevattern genommen und die Glocken von Neuem getauft. Ebenso sei auch die große Glocken zu Drossenfeld getauft und Susanna genannt worden.

Außerdem hat vor alten Jahren einer im Wald Holz gehauen und nachdem sich ein Ungewitter ereignet und man die Glocken angezogen, hat sich eine Stimme aus den Wolken hören lassen: „Man läutet in Drossenfeld die Susannen. Auf, Wetter, wir müssen von dannen!“ Das Wetter hätte sich alsbald verzogen.

Die Sammlung zugunsten der Turmreparatur fiel dann auch entsprechend kläglich aus.


Die älteste Glocke kehrt nach ihrer Reparatur zurück.

Auffällig an diesem Bericht ist, dass Pfarrer Maurer auch mehr als 60 Jahre nach Einführung der Reformation in unserer Gemeinde immer noch mit Aberglauben zu kämpfen hat, den er als papistisch einstuft. Als lutherischer Pfarrer versucht er diesem alten Aberglauben natürlich mit einer auf die Heilige Schrift bezogenen Predigt zu begegnen, dringt aber nur sehr begrenzt durch. Seine biblische Argumentation wird als Überredungsversuch eingestuft und mit Blick auf alte Traditionen zurückgewiesen. Diese lassen uns hochinteressante Blicke in die spätmittelalterlichen Vorstellungen werfen, die in den Dörfern kursierten: So ist die Jungfräulichkeit der Taufpatinnen wichtig für die Wirkung, wobei man sich offensichtlich etwas hart tat, diese zuverlässig festzustellen.

Neben diesen Dingen enthalten die alten Berichte aber auch wichtige historische Informationen. So kann man schließen, dass damals mindestens zwei Glocken im Turm der Kirche hingen, die größere davon mit Namen Susanna. Heute ist aus dieser Zeit nur noch eine Glocke erhalten, die 1430 von Albert Eulenschmidt aus Kulmbach gegossen wurde. Was geschah mit der oder den anderen Glocken? Wann gingen sie verloren? Möglicherweise im 30jährigen Krieg, denn nach dessen Ende, 1650, wurde wieder eine Glocke gegossen, unser Stummala. Wenn man damals eine Glocke goss, die deutlich kleiner als unsere älteste ausgefallen ist, so könnte das darauf hindeuten, dass es sich bei dieser um die früher getaufte Susanna handelt. Sie stammt ja tatsächlich aus katholischen Zeiten. Aber über Vermutungen kommen wir an dieser Stelle momentan nicht hinaus.

Claus Bergmann